Ihre Behandlungsunterlagen stehen Ihnen zu! – Oder doch nicht?

Wenn Sie Patient in einem Krankenhaus/MVZ sind, erscheint es erst einmal völlig logisch, dass Sie auch auf alle dort über Sie gesammelten und gespeicherten Daten jederzeit Zugriff erhalten sollen. Es sind ja schließlich Ihre Daten.
Doch ist das wirklich so einfach? – Leider oftmals nicht! Problematisch ist, dass viele Behandler das anders sehen und die gesammelten Behandlungsunterlagen nicht bzw. nicht freiwillig oder nur gegen eine Gebühr herausgeben. Auf die Anfrage nach Behandlungsunterlagen erhalten wir beispielsweise folgende Antworten:
- Nein, wir geben grundsätzlich keine Behandlungsunterlagen heraus.
- Gerne können wir ein Gutachten erstellen.
- Da es sich um viele Unterlagen handelt, müssen wir auch die Arbeitszeit der Angestellten berechnen, die die Unterlagen für sie kopieren.
All diese Antworten begegnen uns regelmäßig und werden von uns ebenso regelmäßig zurückgewiesen.
Was sind nun Ihre Rechte?
1. Anspruch auf Einsicht in die Patientenakte
Dieser Anspruch besteht und ist auch gesetzlich normiert, nämlich in § 630g Abs. 1 BGB. Danach ist Ihnen auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige Patientenakte zu gewähren. Diese Einsichtnahme darf nur dann verweigert werden, wenn erhebliche therapeutische Gründe dagegensprechen oder sonstige erhebliche Rechte Dritter dem entgegenstehen würden. Das bedeutet also, die pauschale Absage, wir geben grundsätzlich keine Patientenunterlagen heraus, ist völlig falsch. Erhebliche therapeutische Gründe, die dagegensprechen würden, könnten beispielsweise bei Unterlagen einer psychotherapeutischen Behandlung angenommen werden, wenn man in Gesprächen sehr dramatische Ereignisse besprochen hat und eine Konfrontation mit diesen gesammelten Unterlagen schlichtweg bei einer labilen Person sogar zu Gesundheitsschäden führen könnte.
2. Muss ich die Behandlungsunterlagen bezahlen?
Ja, auch dies ist gesetzlich geregelt, nämlich in § 630g Abs. 2 BGB. Danach muss der Patient dem Behandler die entstandenen Kosten erstatten. Aber was zählt zu den entstandenen Kosten? Der Behandler darf nur Kopierkosten, Versandkosten oder Materialkosten beispielsweise für das Brennen einer CD in Rechnung stellen. Der Behandler darf also den Zeitaufwand, der benötigt wird, um die Unterlagen zusammenzustellen und zu kopieren, nicht berechnen.
Stellen Sie sich nun vor, Sie haben einen mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt hinter sich. Seitenweise Behandlungsunterlagen, Laborberichte, Pflegedokumentation und Röntgenbilder befinden sich in der Datenbank des Krankenhauses. Jedoch fühlen Sie sich falsch behandelt und sind der Ansicht, es könnte möglicherweise ein Behandlungsfehler begangen worden sein. Was nun? Sie fordern Ihre Behandlungsunterlagen vom Krankenhaus an und werden darauf hingewiesen, dass eine Herausgabe nur gegen Erstattung von Kopierkosten von 0,50 €/Seite möglich ist. Bei umfangreicheren Unterlagen haben Sie so schnell Kosten von € 200 bis € 300 beisammen. Müssen Sie also diese Kosten immer bezahlen?
3. Kostenfreie Übersendung der Behandlungsunterlagen
Ein Anspruch auf Herausgabe einer unentgeltlichen Kopie der Behandlungsdokumentation folgt aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO, resultiert also aus einer europarechtlichen Verordnung. Dort heißt es:
„Die betroffene Person hat (…) ein Recht auf Auskunft über ihre personenbezogenen Daten.“ (…) „Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten zur Verfügung.“
Bei einer Patientenakte handelt es sich genau um solche personenbezogenen Daten sowie um Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 4 Nrn. 1 und 15 DSGVO. Schon aus dem Wortlaut lässt sich schließen, was eigentlich auch logisch erscheint: Der Patient hat das Recht auf eine Kopie seiner Gesundheitsdaten. Warum aber verweigern dann Krankenhäuser eine Herausgabe bzw. eine kostenfreie Zurverfügungstellung der Behandlungsunterlagen? Dies hängt an der Formulierung des § 630g BGB. Dabei handelt es sich um eine Norm aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, die die Einsichtnahme in die Patientenakte, wie oben formuliert, regelt. Der deutsche Gesetzgeber hat hierzu missverständlich in Absatz 2 formuliert, dass der Patient elektronische Abschriften der Patientenakte verlangen kann. Jedoch hat er die entstandenen Kosten zu erstatten. Daraus schließen viele Krankenhäuser, dass es legitim ist, die Kopierkosten für Patientenakten zu verlangen. Wichtig zu wissen ist, dass die Regelung des § 630 g BGB keinesfalls vorrangig anzuwenden ist. Ihnen steht immer der europarechtliche Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO zu, der die unentgeltliche Information regelt. Das behandelnde Krankenhaus muss Ihnen eine unentgeltliche Kopie zur Verfügung stellen. Jede weitere Kopie darüber hinaus darf aber dann in Rechnung gestellt werden. Dies gilt aber nur bei einem Herausgabeverlangen des Patienten gegenüber dem Schädiger.
Wie kann ich diesen Anspruch nun durchsetzen?
Wir sind der Ansicht, jeder Patient sollte ganz einfach Zugang zu seinen Behandlungsunterlagen erhalten, um mögliche Behandlungsfehler geltend machen zu können. In der Realität ist das leider nicht immer so einfach. Wir setzen uns hier für unsere Mandanten ein. Zu dieser speziellen und vielfach unbekannten Norm gibt es noch wenig Rechtsprechung und viel Verwirrung bei Patienten und Krankenhäusern. In einem solchen Fall konnten wir kürzlich ein Urteil zugunsten unserer Mandantin erwirken. Unsere Mandantin hatte ihre Behandlungsunterlagen vom Krankenhaus in Kopie angefordert, um Behandlungsfehler geltend machen zu können. Das Krankenhaus wollte die Unterlagen nur gegen Kopierkosten herausgeben und ließ sich von uns nicht umstimmen. Wir haben für unsere Mandantin Klage erhoben und damit Recht bekommen (AG Regensburg, 7 C 79/21). Die Behandlungsunterlagen mussten uns unentgeltlich überlassen werden.
Stehen Sie womöglich vor einem ähnlichen Problem? – Wir stehen Ihnen hierbei mit unserer Erfahrung und langjährigen Kompetenz im Gesundheitsrecht zur Seite. Wir unterstützen Sie sowohl bei der Anforderung von Behandlungsunterlagen, der Überprüfung von Behandlungsunterlagen wie auch bei der Geltendmachung Ihrer Ansprüche aus Behandlungsfehlern.
Vereinbaren Sie gerne einen Beratungstermin in unserer spezialisierten Kanzlei.
Sandra Wende, wissenschaftliche Mitarbeiterin
Ulrike Böhm-Rößler, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht
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